Das Problem: (Fast) keine Kompromisse und hohe Relevanz
Die beste Lösung für Ihr Unternehmen ist in den allermeisten Fällen ein Gerichtsstand am Sitz Ihres Unternehmens und ebenfalls das anwendbare Recht des entsprechenden Landes. Logischerweise will Ihr Vertragspartner diese Lösung aber auch für sich. Sobald die Vertragsparteien nicht im gleichen Land ansässig sind, fehlt es daher an einer einfachen Kompromisslösung.
Auch wenn Gerichtsstand und anwendbares Recht nach blossen Formalitäten klingen mögen und für Nicht-Juristen sehr abstrakt sind, so darf die Relevanz dieser Bestimmungen nicht unterschätzt werden. Selbstverständlich sollten Sie davon ausgehen, dass Ihr Unternehmen keine Probleme mit ihrem Vertragspartner haben wird und der Vertrag nicht wieder «aus der Schublade» gezogen werden muss. Sobald dies aber nötig ist – und dies kann bereits bei kleinen Unklarheiten oder Missverständnissen der Fall sein – wird sehr schnell relevant sein, welches Recht und welcher Gerichtsstand vereinbart wurde. Hinzu tritt in der Praxis die Schwierigkeit, dass Sie sich - sobald rechtliche Beratung zum Vertrag nötig ist-, an einen Anwalt mit dem entsprechenden rechtlichen Hintergrund wenden sollten. Dies ist aufwändig (und in der Regel kostenintensiver), wenn dies nicht bei Ihrem üblichen Anwalt in der Schweiz gemacht werden kann.
Die Optionen
Betreffend Gerichtsstand:
Mit der Wahl des Gerichtsstandes vereinbaren Vertragsparteien, die Gerichte welchen Ortes für Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag zuständig sind. Anstatt «Gerichtstand» werden häufig auch die Begriffe «Zuständigkeit» oder «gerichtliche Zuständigkeit» verwendet.
In der Regel werden die Gerichte am Sitz der einen oder der anderen Partei für zuständig erklärt. Seltener wird der Erfüllungsort der Vertragsleistung oder ein unabhängiger, dritter Ort vereinbart. Anstatt staatlicher Gerichte werden vielfach auch von den Parteien zu ernennende Schiedsgerichte für zuständig erklärt (sog. «Schiedsklauseln»), wobei dann jeweils der Ort des Schiedsgerichts und die anwendbaren Regeln des Schiedsverfahrens festzulegen sind.
Gerichtstandklauseln können das gewählte Gericht für ausschliesslich zuständig erklären oder die gewählten Gerichte als Alternativen zu den vom Gesetz vorgegebenen Gerichtständen bestimmen.
Gerichtsstandklauseln sind grundsätzlich zulässig. Es gibt jedoch verschiedene Einschränkungen z.B. im Bereich des Arbeitsrechts oder bei Verträgen mit Konsumenten, zudem gibt es formale Anforderungen.
Weiter ist zu beachten, dass gewisse Rechtsordnungen trotz Vorliegen einer ausschliesslichen Gerichtsstandklausel vorsehen, dass die lokalen Gerichte Streitigkeiten beurteilen können, so z.B. betreffend provisorische Massnahmen am Ort der Vertragsverletzung. D.h. auch wenn ein Gerichtsstand vereinbart wurde, kann es sein, dass Sie an einem anderen Ort vor Gericht eingeklagt werden können.
Betreffend anwendbares Recht:
Mit dem anwendbaren Recht bestimmen die Parteien nach welchem zugrundeliegenden Vertragsrecht (in der Schweiz das Obligationenrecht) der Vertrag beurteilt wird. In der Regel wird das Recht am Sitz der einen oder anderen Partei bestimmt. Seltener wird das Recht eines unabhängigen Drittlandes gewählt.
Rechtswahlklauseln sind grundsätzlich zulässig. Aber auch hier bestehen – wie bei Gerichtsstandklauseln – in gewissen Rechtsordnungen Einschränkungen, z.B. bei mangelndem Sachbezug.
Die «Kompromissmöglichkeiten»
Was vielen Vertragsparteien nicht bewusst ist, ist dass es auch beim Gerichtstand und anwendbaren Recht gewisse Kompromissmöglichkeiten gibt.
Generell empfiehlt es sich aus Praktikabilitätsgründen, dass Gerichtstand und anwendbares Recht vom gleichen Land gewählt werden. Zwingend nötig ist dies jedoch nicht, d.h. ein Schweizer Gericht prüft grundsätzlich auch einen Vertrag nach z.B. deutschem oder amerikanischem Recht.
Für den Gerichtsstand kann zudem der Kompromiss über ein Schiedsgericht an einem neutralen Ort gefunden werden. Dies ist in vielen Fällen für beide Parteien eine gute Lösung. Es empfiehlt sich die Verfahrensregeln für das Schiedsgericht ebenfalls im Vertrag festzulegen.
Den Gerichtsstand am Ort des Sitzes der Beklagten Partei zu definieren ist eine weitere häufig gewählte Kompromisslösung. Diejenige Partei, «die etwas von der anderen will», muss sich dann in das andere Land begeben.
Für das anwendbare Recht ist die Anwendung eines neutralen Drittstaatenrechts eine gute Kompromissvariante. Häufig gibt es Themenbereiche, die regelmässig unter einem bestimmten nationalen Recht verhandelt werden und es kann sich anbieten sich daran zu orientieren. Z.B. werden in Folge der EU-Forschungsförderung viele Forschungskooperationen unter belgischem Recht abgeschlossen.
Eine weitere Kompromisslösung kann sein, dass ein Vertrag inhaltlich limitiert wird und dadurch für eine Partei ein bestimmter Gerichtsstand oder ein bestimmtes anwendbares Recht akzeptabel wird. Typischerweise können z.B. Geheimhaltungserklärungen auf eine kurze Laufzeit beschränkt werden. Damit wird das Risiko eines Prozesses überschaubarer und die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts wird eher akzeptiert.
In welchen Situationen stur bleiben und in welchen nachgeben? Kriterien für Ihren Entscheid.
Die Entscheidung über das anwendbare Recht und den Gerichtsstand sollte nicht dem Zufall oder der Verhandlungsmacht des Gegenübers überlassen werden. Weil beide Aspekte in der Regel erst im Konfliktfall relevant werden, empfiehlt es sich abzuschätzen, welche Konflikte aufgrund des konkreten Vertrags möglich sind und ob Ihr Unternehmen dabei eher Beklagte oder Klägerin sein dürfte. Als Beklagte ist es besonders nachteilig vor einem ausländischen Gericht zu stehen. In der Klägerrolle (aktivere Rolle) ist es in der Regel weniger nachteilig. Im Weiteren spielt der Zeitfaktor eine Rolle: Je länger die Vertragsdauer desto höher in der Regel das Risiko von Streitigkeiten und umso eher ist Heimrecht und Heimgerichtsstand wünschenswert.
Im Weiteren sollten Sie die Ressourcen Ihres Unternehmens beachten. Wenn Sie Niederlassungen im Ausland haben oder bereits einen Rechtsvertreter in einem bestimmten Land haben, hat man geringere Nachteile bei einem Verfahren im Ausland.
Nicht zu unterschätzen ist im Weiteren die Sprache. Auch wenn Sie ohnehin einen Anwalt vor Ort beiziehen müssen, ist es wesentlich einfacher (und kostengünstiger), wenn das Verfahren in einer Sprache geführt wird, welche die relevanten Personen in Ihrem Unternehmen beherrschen.
Praxistipp 1 - Festlegen von internen Regeln
Aufgrund der oben dargestellten Überlegungen empfiehlt es sich, unternehmensintern zu definieren, welche Verträge zwingend unter Heimrecht und Heimgerichtsstand abgeschlossen werden müssen, und bei welchen es eher Spielraum für ausländisches Recht und ausländische Gerichte gibt. Je mehr Verträge Ihr Unternehmen abschliesst, desto eher lohnen sich solche Regeln, um im Prozessfall die Risiken gezielt minimieren zu können.
Für grössere Unternehmen kann es auch sinnvoll sein, dass gewisse ausländische Rechtsgebiete grundsätzlich akzeptiert werden (z.B. weil eine Niederlassung mit einem Rechtsberater zur Verfügung steht, so dass im konkreten Fall schnell und unkompliziert auf diese Ressourcen zugegriffen werden kann).
Praxistipp 2 - Nutzen als Verhandlungsmasse
Zu beachten ist schliesslich, dass jede Vertragsklausel Spielraum für die Verhandlungen bietet. Wenn es also sehr wichtige andere Bestimmungen in einem Vertrag gibt, kann es durchaus vertretbar sein, diese Bestimmungen zu Ihren Gunsten zu verhandeln, und im Gegenzug einen ausländischen Gerichtsstand zu akzeptieren.