In Zeiten von Corona hat der Bedarf nach elektronischem Signieren massiv zugenommen. Doch leider sind die Regularien zur elektronischen Signatur nicht weltweit vereinheitlicht. So besteht in der Europäischen Union die Verordnung 910/2014 über die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS-Verordnung), in der Schweiz das Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES).
Sowohl die eIDAS-Verordnung als auch das ZertES kennen die qualifizierte elektronische Signatur (QES). Diese zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass die Identität geprüft wird, bevor das der Signatur zugrundeliegende Zertifikat ausgestellt wird. Trotz der gleichen Namensgebung in der EU und in der Schweiz handelt es sich rechtlich aber um verschiedene Signaturen, die unter Nutzung verschiedener Signatur-Infrastrukturen erstellt werden.
Sowohl die eIDAS-Verordnung als auch das ZertES sähen zwar die Möglichkeit vor, dass die EU und die Schweiz Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Signaturen bzw. Zertifikaten schliessen, wodurch eine QES gemäss Schweizer Recht einer QES nach europäischem Recht gleichgestellt würde (und umgekehrt). Ein solches Abkommen besteht zwischen der EU und der Schweiz allerdings nicht.
Schweizer Unternehmen, die im Ausland tätig sind, bleibt somit nichts anderes übrig, als sich über die anwendbaren Formvorschriften zu erkundigen, gegebenenfalls mit Hilfe eines lokalen Rechtsberaters. Dies gilt im besonderen Masse für öffentliche Ausschreibungen, die typischerweise einer hohen Formstrenge unterliegen.
An den Schweizer Gesetzgeber sei zudem folgender Gedanke gerichtet: Anstatt mit dem ZertES eine eigene, helvetische Signaturinfrastruktur aufbauen zu wollen, hätte er auch auf das ZertES verzichten und eIDAS-Signaturen einseitig für das Schweizer Recht anerkennen können. Damit wäre es Unternehmen, die sowohl in der Schweiz als auch in der EU tätig sind, zumindest erspart geblieben, zwei Signaturtypen auszurollen (und die Mitarbeiter zu schulen, wann welche Signatur genutzt werden sollte).
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang schliesslich, dass die QES nach eIDAS solche nach ZertES mittlerweile technologisch bei der Identifizierung überholt haben: Während in Teilen der EU (z.B. in Deutschland) eine Videoidentifizierung zur Erlangung einer QES möglich ist, muss die Identifizierung in der Schweiz durch persönliche Vorsprache erfolgen. Eine während der ersten Corona-Welle erlassene, notrechtliche Ausnahmebestimmung, welche die Videoidentifizierung erlaubt hatte, ist nicht mehr in Kraft.