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Steuerruling vs. Steuerabkommen – Wo liegt der Unterschied?

Alain
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Alain
24.11.2025

In der Beratungspraxis zeigt sich immer wieder, dass Unternehmer, Investoren und private Steuerpflichtige möglichst viel Planungssicherheit wünschen. Das ist verständlich, denn vieler ihrer Entscheidungen haben direkte steuerliche Folgen. Dies gilt insbesondere dann, wenn komplexe Transaktionen geplant sind oder erhebliche finanzielle Auswirkungen zu erwarten sind.

Ein Kunde stellte mir kürzlich die Frage:
„Könnten wir nicht einfach mit der Steuerbehörde eine individuelle Vereinbarung über den anzuwendenden Steuersatz treffen?“

Diese Frage ist aus Sicht eines Unternehmens nachvollziehbar und zeigt, wo viele Menschen instinktiv ansetzen. Sie offenbart jedoch auch ein weit verbreitetes Missverständnis darüber, was steuerlich zulässig ist – insbesondere darüber, welche Instrumente das Schweizer Steuerrecht überhaupt kennt.

Der Wunsch nach einer individuellen Lösung entspringt oft einem legitimen Bedürfnis nach Planungssicherheit. Doch er verkennt, dass die Steuerbehörden in der Schweiz strikt an die gesetzlichen Vorgaben gebunden sind. Während das Steuerruling ein etabliertes, rechtlich abgesichertes und für beide Seiten sinnvolles Instrument darstellt, sind sogenannte Steuerabkommen im Sinne einer vom Gesetz abweichenden Vereinbarung rechtlich nicht nur unzulässig, sondern sogar nichtig.

Um diesen Unterschied juristisch sauber zu verstehen, lohnt sich ein vertiefter Blick auf die Grundlagen, Funktionen und Grenzen dieser beiden Konzepte.

Das Steuerruling

Begriff und rechtliche Einordnung

Ein Steuerruling, auch Steuervorbescheid oder Advance Tax Ruling genannt, ist eine verbindliche Vorabinformation der Steuerbehörde über die steuerliche Behandlung eines konkret dargelegten und noch nicht verwirklichten Sachverhalts.

Die Praxis der Steuerrulings ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 9 BV) sowie aus allgemeinem Verwaltungsrecht. Die Behörden sind verpflichtet, bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder in Situationen mit Interpretationsspielraum rechtsgleiche, transparente und nachvollziehbare Auskünfte zu erteilen.

Damit ein Steuerruling verbindlich wird, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Sachverhalt muss detailliert, vollständig und zutreffend offengelegt werden.
  • Der Steuerpflichtige muss das beschriebene Vorgehen exakt so umsetzen.
  • Die Behörde muss für die entsprechende Steuerart zuständig sein.
  • Die Auskunft muss im Rahmen des geltenden Rechts erteilt werden.

Das bedeutet: Die Behörde darf mit einem Ruling keine vom Gesetz abweichende Regel schaffen, sondern lediglich darlegen, wie sie das Gesetz im konkreten Fall anwenden wird.

Zweck und Funktion

Steuerrulings erfüllen mehrere wichtige Funktionen:

  1. Rechtssicherheit
    In steuerlich komplexen oder wirtschaftlich bedeutenden Situationen besteht ein legitimes Bedürfnis nach zuverlässigen Prognosen. Ein Ruling verhindert spätere Streitigkeiten und schafft Klarheit.
  2. Planungssicherheit
    Gerade bei Umstrukturierungen, internationalen Strukturen, Mitarbeiterbeteiligungen oder Immobilienprojekten ist eine präzise Kenntnis der Steuerfolgen entscheidend.
  3. Effizienz des Besteuerungsverfahrens
    Durch frühzeitige Abstimmungen entsteht auf beiden Seiten weniger Aufwand, insbesondere bei komplexen Konstellationen.
  4. Vertrauensschutz
    Setzt der Steuerpflichtige das Vorgehen wie im Ruling beschrieben um, ist die Behörde grundsätzlich gebunden. Dies schützt Investitionsentscheidungen und erhöht die Stabilität des Steuersystems.

Beispiele aus der Praxis

Typische Themen, in denen Steuerrulings genutzt werden, sind:

  • Steuerneutrale Unternehmensumstrukturierungen (Fusionsgesetz / Art. 61 DBG)
  • Bewertung von Mitarbeiterbeteiligungen

In all diesen Fällen geht es nicht darum, das Gesetz zu ändern, sondern um die Klärung, wie ein konkreter Sachverhalt unter dem bestehenden Recht zu behandeln ist.

Das Steuerabkommen

Begriff und rechtliche Einordnung

Im internationalen Steuerrecht bezeichnet der Begriff „Steuerabkommen“ meist staatenübergreifende Doppelbesteuerungsabkommen. Diese sind selbstverständlich zulässig.

Im Kontext der Frage meines Kunden meint „Steuerabkommen“ jedoch etwas völlig anderes: Eine individuelle Vereinbarung zwischen Steuerpflichtigem und Steuerbehörde, die zu steuerlichen Ergebnissen führt, die vom Gesetz abweichen.

Also beispielsweise:

  • Ein individuell „ausgehandelter“ Steuersatz
  • Ein pauschaler Verzicht auf bestimmte Steuern
  • Eine alternative Berechnungsmethode
  • Eine Art privater Vertrag, der die gesetzlichen Vorgaben modifiziert

Solche Abmachungen sind im Schweizer Recht strikt verboten.

Warum individuelle Steuerabkommen unzulässig sind

Die Schweizer Steuerbehörden unterstehen dem Legalitätsprinzip (Art. 127 Abs. 1 BV): Steuern dürfen nur erhoben, erlassen oder verändert werden, wenn das Gesetz dies vorsieht.

Das bedeutet konkret:

  • Die Behörde darf nicht autonom über Steuersätze oder Steuerbemessungsgrundlagen verhandeln.
  • Sie darf keine abweichenden Lösungen vereinbaren, die nicht im Gesetz verankert sind.
  • Es existiert keine Ermächtigungsnorm, die individuelle Abweichen erlaubt.

In den zentralen Steuererlassen – insbesondere DBG, StHG, MWSTG, VStG, StG – fehlt jede gesetzliche Grundlage für individuelle Abkommen zwischen Verwaltung und Steuerpflichtigen.

Aus verwaltungsrechtlicher Sicht wären solche Abkommen:

  • kompetenzwidrig,
  • rechtswidrig, und
  • nichtig (Art. 36 VwVG analog).

Damit ist die Rechtslage eindeutig: Ein Steuerabkommen, das zu einer abweichenden Steuerbelastung führt, ist rechtlich unwirksam.

Schlussfolgerung

Rechtssicherheit gibt es nicht durch individuelle Deals, sondern durch korrekt eingeholte Steuerrulings

Steuerrulings sind ein zentrales Element der Rechtssicherheit im Schweizer Steuerrecht. Sie ermöglichen es Unternehmen und Privatpersonen, künftige Entscheidungen auf einer belastbaren Grundlage zu treffen, ohne gegen das Gesetz zu verstossen oder unzulässige Sonderwege einzuschlagen.

Individuelle Steuerabkommen hingegen sind klar unzulässig. Sie widersprechen grundlegenden rechtlichen Prinzipien, gefährden die Gleichbehandlung und sind letztlich nichtig.

Wer steuerliche Klarheit möchte, muss deshalb den korrekten Weg gehen: Nicht verhandeln, sondern ein präzises Steuerruling einholen.

Dieser Weg ist rechtlich sauber, transparent, für beide Seiten verbindlich und in der Praxis äusserst effektiv.

In der Beratungspraxis zeigt sich immer wieder, dass Unternehmer, Investoren und private Steuerpflichtige möglichst viel Planungssicherheit wünschen. Das ist verständlich, denn vieler ihrer Entscheidungen haben direkte steuerliche Folgen. Dies gilt insbesondere dann, wenn komplexe Transaktionen geplant sind oder erhebliche finanzielle Auswirkungen zu erwarten sind.